Bewaffneter jüdischer Widerstand im Ghetto und der Warschauer Ghettoaufstand
18 . Juli 1942
Im Juli des Jahres 1942 gründete sich die Widerstandsorganisation Żydowska Organizacja Bojowa, kurz ŻOB. Auf Deutsch bedeutet dieser Name „Jüdische Kampforganisation“. Gegründet von jungen Frauen und Männern, war es ihr Hauptziel, sich gegen die Deportationen aus dem Warschauer Ghetto zu wehren. Beispielsweise führten sie Brandanschläge auf deutsche Warenlager durch.
Doch die Deportationen waren zunächst nicht aufgehalten worden. Erste Versuche, Kontakt zur polnischen Heimatarmee „Armia Krajowa“ aufzunehmen, scheiterten.
Annähernd 300.000 Juden wurden im September 1942 verschleppt. Davon kamen allein 265.00 Menschen in das nordöstlich von Warschau gelegene Vernichtungslager Treblinka. Im Ghetto zurück blieben nur etwa 55.000 bis 60.000 Juden.
Neues Leben fand die Gruppierung ŻOB als Sammlungsorganisation des jüdischen Widerstandes im November 1942 unter Führung des 24-jährigen Mordechaj Anielewicz.
Viele Widerstandskämpfer verloren ihre Angehörigen in der ersten Deportationswelle. Die zurückbleibenden meist jungen Menschen warfen sich selbst vor, keinen bewaffneten Widerstand geleistet zu haben. Bis Ende 1942 konnte die Organisation 500 Anhänger, Frauen und Männer, für sich gewinnen, unter anderem viele, die eben diese Angehörigen zu beklagen hatten.
Da nun Kontakt zur polnischen Heimatarmee hergestellt werden konnte, hatte die ŻOB Zugriff auf Waffen. Darunter zählten zehn Pistolen und Sprengstoff. Unter Anielewicz entstand ein Hauptquartier des ŻOB im Untergrund. Es wurden Kämpfer ausgebildet und Widerstandspläne ausgearbeitet.
18. Januar 1943
Am 18. Januar 1943 begann die SS die „Januar-Aktion“, also die zweite Deportationswelle. Die ŻOB jedoch plante, diese Deportationen zu verhindern.
„Kein einziger Jude soll mehr in die Waggons verladen werden“, hieß es in einem Aufruf. Und: „Jeder sei bereit, wie ein Mensch zu sterben!“ Der Widerstand fürchtete die vollständige Auflösung des Ghettos und wurde deswegen aktiv. Unter Anielewicz mischte sich die bewaffnete Gruppe der „Haschomer-Hazair-Kämpfer“ unter die Juden, die sich für die bevorstehende Deportation am Umschlagplatz, der wichtigsten Sammelstelle des Ghettos, versammelt hatten.
Im Nahkampf überwältigte die Gruppe die Angehörigen der SS. Viele jüdische Kämpfer starben, Anielewicz jedoch konnte sich retten. Die auf dem Umschlagplatz versammelten Juden flohen bei Anbruch des Kampfes. Die SS ging seit dem ersten bewaffneten Aufstand zunächst auf Distanz zu den Juden und brach die „Aktion“ vorläufig ab, ein Vorgehen, welches die Widerstandskämpfer als Zeichen der Schwäche ansahen.
Den nächsten Angriff plante die ŻOB für den 19. April des selben Jahres. Für dieses Datum wäre die letzte von der SS geplante Deportation vorgesehen gewesen.
In Vorbereitung darauf wurde das Ghetto strategisch in Kampfeinheiten unterteilt und Bunker errichtet. Außerdem konnte die Organisation einen Anstieg der Mitgliederzahl verzeichnen. Zusammen mit der Żydowski Związek Wojskowy (ŻZW), einer weiteren Widerstandsgruppe, hatte die Bewegung jetzt um die 750 Mitglieder.
Mordechaj Anielewicz, Israel Kanal, Yitzhak Zuckermann und Marek Edelmann hatten führende Rollen der Widerstandsbewegung. Auch Paweł Frenkiel hat eine wichtige Führungsposition, jedoch bei der ŻZW.
19. April 1943
Als die deutschen Soldaten das Ghettogelände betraten, um ihre geplante Aktion auszuführen, hatten sich die jüdischen Widerstandskämpfer in ihre Bunker und Verstecke zurückgezogen. Mit ihren wenigen Waffen und einfachen Pistolen waren sie den Besatzern deutlich unterlegen. Jedoch besaßen sie auch selbstgebaute Granaten und Molotowcocktails, mit denen sie auch gepanzerte Fahrzeuge der SS vernichten konnten. Die Soldaten zogen vorerst ab. Die ŻOB und ŻZW hissten als Zeichen des Sieges eine polnische und jüdisch-nationale Flagge.
22 . April 1943
Der Nahkampf mit den Soldaten dauerte mehrere Tage. Die SS konnte die jüdischen Kämpfer weder fassen noch ihre Bunker ausfindig machen. Deshalb wurde beschlossen, die Gebäude zu sprengen und niederzubrennen, damit die Juden gezwungen wären, aus ihren Verstecken zu kommen. Zunächst blieben die Kämpfer hartnäckig, doch als das gesamte Ghetto in Flammen stand und die Munition knapp wurde, wurde der Kampf aussichtslos. Der polnische militärische Untergrund soll versucht haben, die Kämpfer zu unterstützen, dies blieb jedoch ohne Erfolg. Sie konnten nicht in das Ghetto eindringen.
8 . Mai 1943
Am 8. Mai fiel das Hauptquartier der ŻOB in der Miła-Straße 18 nach fast einem Monat des Kämpfens. Dabei kam Anielewicz mit vielen weiteren Kämpfern ums Leben. Der Widerstandskampf im Ghetto wurde fortgesetzt, solange es noch jüdische Kämpfer gab, die nicht durch Hunde oder spezielle Geräte aufgespürt worden waren. Wenn Juden sich weigerten ihre Bunker zu verlassen, warfen die Deutschen unter anderem Gasgranaten, um sie zur Räumung zu zwingen.
16 . Mai 1943
Nach weiteren Tagen des Kampfes zerstörte die SS als symbolische Aktion die große Synagoge des Ghettos. Der Leiter der brutalen Niederschlagung des Aufstands war der SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Jürgen Stroop, der in einem Bericht vermerkte: „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr!“ Nur wenige Bewohner des Ghettos konnten auf die „arische“ Seite Warschaus durch die Kanalisation fliehen, andere wiederum blieben in ihren Verstecken.
Dieses Foto ist Teil des Stroop-Berichtes der SS und dokumentiert die Niederschlagung des Ghetto-Aufstandes.
Fazit
Am Yom Ha-Shoah, dem israelischen Gedenktag für die etwa sechs Millionen von den Nationalsozialisten ermordeten Juden, heulen jedes Jahr in Israel die Sirenen und das öffentliche Leben steht für zwei Minuten still. An diesem Tag wird auch des jüdischen Widerstandes gedacht. Im jüdischen kollektiven Gedächtnis gilt der Warschauer Ghettoaufstand als erster, in der sowohl bewaffnete Kämpfer als auch die „normale jüdische Bevölkerung“ sich gemeinsam gegen die NS-Diktatur auflehnte. Dabei starben bis zum 16. Mai 1943 56.000 Menschen. Die Entschlossenheit, Solidarität, Hartnäckigkeit und letztlich der Mut, sich trotz klarer Unterlegenheit zu wehren, spielt hier eine besonders wichtige und bemerkenswerte Rolle. Der Warschauer Ghettoaufstand entkräftet eindrücklich das Vorurteil, die jüdische Bevölkerung „hätte alles über sich ergehen lassen“ und sei „wie die Lämmer zur Schlachtbank gegangen“. Das dem nicht so war, soll auch an dieser Stelle dokumentiert werden.
(Autorin: Lana Simons)